Die Einarbeitungsphase ist abgeschlossen
Kreisgebiet. Seit Anfang März ist Volker Boch mittlerweile Landrat im Rhein-Hunsrück-Kreis. Der Journalist, der als Quereinsteiger und Parteiloser als Sieger für viele etwas überraschend aus der Stichwahl hervorgegangen ist, hat sich vom ersten Tag an mit Fleiß und Leidenschaft in die Arbeit gestürzt. Als Chef der Verwaltung musste er sich mit Arbeitsabläufen, Strukturen und Denkweise der Abteilungen vertraut machen. Gleichzeitig verfolgt der Nachfolger von Dr. Marlon Bröhr politisch Ziele, die seiner Überzeugung entsprechen und den Kreis nach vorne bringen sollen. „Die Menschen in Rhein-Hunsrück-Kreis sollen in unserer schönen Heimat auch in Zukunft eine gute Lebensqualität haben“, sagt Volker Boch.
In einem großen Sommerinterview äußert sich Landrat Volker Boch zu den ersten Monaten seiner Amtszeit und gibt einen Ausblick in die nähere Zukunft.
Frage: Haben Sie sich schon mal beim Aufwachen gefragt, ob es wirklich stimmt, dass Sie Landrat geworden sind´?
Nein, das ist noch nicht passiert. Ich bin nach wie vor sehr froh, dass ich diese schöne Aufgabe und dieses Amt ausfüllen darf. Ich hoffe, dass ich meine Arbeit gut mache.
Frage: Kommen wir zum Innenleben im Kreishaus in Simmern: Kennen Sie bereit alle Abteilungen und die Teams Ihrer Verwaltung?
Mit der Arbeit der Fachbereiche habe ich mich schon sehr vertraut gemacht, es gab viele Einzelgespräche mit verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie einen Austausch mit allen Fachbereichen und mit deren Leitungen. Der regelmäßige Austausch mit der Ebene der Dezernenten ist mir ein großes Anliegen. Mein festes Ziel war es, in den ersten Wochen an alle Bürotüren im Kreishaus zu klopfen und mit jedem persönlich zu sprechen. Dies ist mir in sehr vielen Fällen gelungen, aber leider noch nicht komplett. Das möchte ich noch nachholen.
Frage: Sehen Sie die Kreisverwaltung als personell und strukturell gut aufgestellt?
Die Kreisverwaltung ist in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen, vor allen Dingen aufgrund veränderter gesetzlicher Voraussetzungen und neuer Bestimmungen. Die Kreisverwaltung ist ein attraktiver Arbeitgeber, allerdings ist der Fachkräftemangel auch in öffentlichen Verwaltungen überall spürbar. Als ich das Amt übernommen habe, gab es bereits eine hohe Zahl an nicht besetzten Stellen. Die Kreisverwaltung bietet ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gute Möglichkeiten zur Entfaltung und zur Entwicklung. Ich bin überzeugt davon, dass wir die Strukturen in der Zukunft weiter stärken können.
Frage: Wie ist die Zusammenarbeit im Kreistag mit den anderen Fraktionen?
Ich erlebe die Zusammenarbeit als sehr positiv und konstruktiv. Ich gehe offen auf die Fraktion zu und bin sehr froh über den offenen Umgang aller Fraktionen mit mir. Ich denke, dass wir bislang einen sehr guten Austausch leben. Ich halte dies vor dem Hintergrund, dass es bei der politischen Arbeit im Kreistag und im Kreisausschuss um das Wohl unserer Region geht, für ganz wesentlich.
Frage: Verstehen Sie sich nach wie vor als politisch „unabhängig“?
Absolut. Ich bin nach wie vor in keiner Partei und agiere unabhängig. Ich hoffe, dass die Parteien dies alle akzeptieren können und wir weiterhin einen auf gute Gemeinsamkeit ausgelegten Umgang pflegen können.
Frage: Zur politischen Arbeit: Was haben Sie in den ersten Monaten als Landrat konkret auf den Weg gebracht?
Die ersten fünf Monate waren anspruchsvoll und intensiv. An meinem ersten Arbeitstag habe ich mich darum gekümmert, dass wir zur Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen die Jugendherberge in Sargenroth reaktivieren können. Allein der Prozess, der notwendig war, um dieses Ziel, hier Flüchtlinge unterzubringen, zu erreichen, war sehr herausfordernd. In Kooperation mit der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen sowie den Ortsgemeinden Sargenroth, Tiefenbach und Riesweiler ist dies dank vieler ehrenamtlicher Kräfte und engagierter hauptamtlicher Arbeit gut gelungen. Durch den Krieg in der Ukraine kamen viele weitere Herausforderungen, insbesondere die Kosten sind in vielen Bereich extrem angestiegen.
Wir mussten aber auch in der Verwaltung umstellen und handeln, um beispielsweise die rund 1.500 Geflüchteten, die zu uns gekommen sind, zu versorgen. Dafür haben wir kurzfristig Honorarkräfte eingestellt, um der ungeahnten Menge an Anträgen gerecht werden zu können. Parallel dazu wurden Fallrückstände in verschiedenen Bereichen des Hauses aufgearbeitet, beispielsweise hinsichtlich der Corona-Situation, die uns weiterhin große Herausforderungen beschert. Nach meinem Amtsantritt habe ich auch damit begonnen, mich mit dem Thema ÖPNV intensiv auseinanderzusetzen. Es gab Gespräche mit den Unternehmen, mit übergeordneten Institutionen sowie mit der Kreistagsfraktion. Ich habe versucht, hier einen Prozess zur Überarbeitung des ÖPNV-Konzeptes einzuleiten. Dieser Prozess wird uns noch lange beschäftigen und fordern.
Der offene Austausch mit den Fraktionen ist mir nicht nur in diesem Zusammenhang ein großes Anliegen. Zuletzt diskutiert haben wir die Frage, wie es mit dem Krankenhaus Heilig Geist in Boppard und dort vor allem mit der Notfallversorgung weitergeht. Für mich ist es wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, den Standort zu stärken und die Notfallversorgung zu erhalten. Bezüglich der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms LEP IV war es mir ebenso ein Anliegen, ein klares Signal im Sinne unserer Region auszusenden. Zur Stärkung des Welterbetales habe ich mich beim Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal engagiert und zum 1. Juli den Vorsitz übernommen.
Ich habe viel Zeit investiert, um im Mai beispielsweise einen Besuch der UNESCO mitzubegleiten. Neben vielen öffentlichen Terminen, die aufgrund der Corona-Einschränkungen in den vergangenen zwei Jahren nicht stattfinden konnten und jetzt den wöchentlichen Kalender wieder stark bestimmen, habe ich einen großen Schwerpunkt meiner Arbeit auf die Verwaltung gelegt. Ich habe versucht, mir schnell einen Überblick über die Verwaltung zu verschaffen und Prozesse einzusteuern, damit wir uns als Behörde weiter positiv entwickeln können.
Frage: Eines Ihrer Themen im Wahlkampf war ja der Zustand des ÖPNV. Wohin entwickelt er sich?
Der ÖPNV und die Mobilität insgesamt werden im Rhein-Hunsrück-Kreis ein massives Thema für die Kreispolitik und die Kreisverwaltung sowie auch für mich als Landrat sein und bleiben. Ich habe mit den ersten intensiven Gesprächen einen Prozess eingeleitet. Wir sind als Kreis dabei auch stark davon abhängig, welche Planungen das Land Rheinland-Pfalz für den ÖPNV im ländlichen Raum vorsieht. Grundsätzlich setze ich darauf, dass wir ein flexibleres, günstigeres und attraktives Angebot an ÖPNV erreichen können, welches auch unter ökologischen Aspekten zukunftsgerichtet aufgebaut ist. Wann dies erreicht werden kann und wie es genau aussieht, lässt sich im Moment noch nicht abschätzen.
Frage: Glauben Sie, dass gemeinsam mit ihren ebenfalls neugewählten Landratskollegen Jörg Denninghoff die unendliche Geschichte des Projektes Mittelrheinbrücke zum Abschluss kommt?
Mein Gefühl ist, dass wir bei diesem wichtigen Projekt auf der linken und auf der rechten Rheinseite wieder gemeinsam an einem Strang und in eine gemeinsame Richtung ziehen können. Sowohl auf der rechten also auf der linken Rheinseite erkenne ich im Moment ein überwiegendes Interesse, die Mittelrheinbrücke verwirklichen zu wollen. In ersten Gesprächen mit Vertretern der Landesregierung sowie in einem ersten Austausch mit meinem Landratskollegen Jörg Denninghoff habe ich klar signalisiert, dass ich alles daran setzen möchte, dass die Mittelrheinbrücke auch tatsächlich gebaut werden kann. Das Raumordnungsverfahren ist nach Aussage von Innenminister Roger Lewentz sehr weit gediehen. Neben diesen planerischen Fortschritten halte ich es für wichtig, dass es zu einem Austausch und zu Verhandlungen zur Finanzierung und Unterhaltung kommt.
Frage: Die Energiewende wird wegen des Klimawandels und der Energieknappheit infolge des Krieges in der Ukraine forciert. Verkraften die Region und die Menschen des Kreises weitere Windräder?
Der Krieg in der Ukraine zeigt aktuell auf, dass es wichtig ist, eine zukunftsgerichtete Energieversorgung und Energiesicherheit herzustellen. Wir erleben alle, welche großen Sorgen innerhalb kürzester Zeit entstanden sind, wie sich Märkte und Preise verändert haben. Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, dass weit über die Grenzen des Rhein-Hunsrück-Kreises hinaus nachhaltige Modelle der Energiegewinnung etabliert und auch akzeptiert werden. Unser Landkreis ist hier Vorbild, er kann die Energiewende aber nicht alleine tragen. Fotovoltaikanlagen auf privaten und öffentlichen Dächern sind sicherlich noch vielfach möglich, aber was den Ausbau von Windkraftanlagen im Rhein-Hunsrück-Kreis anbelangt, sehe ich nicht das Potenzial für einen umfangreichen weiteren Zubau.
Wir haben dies als Verwaltung und als Politik auch gegenüber dem Land in Stellungnahmen zur LEP-IV-Fortschreibung sehr klar zum Ausdruck gebracht. Aus meiner Sicht sollte auch die Freiflächen-Fotovoltaik über die Flächennutzungsplanung der Verbandsgemeinden gesteuert und in einem zurückhaltenden Maß in unserem Landkreis ausgebaut werden. Grundsätzlich sehe ich in unserer Region statt dem weiteren Zubau von Energiegewinnungsanlagen eher Möglichkeiten im Bereich des Energiespeicherns und des Energiesparens.
Frage: Wo sehen Sie im Kreis Möglichkeiten zum Einsparen von Energie?
Ich würde mir wünschen, dass in jedem Ort unseres Kreises Überlegungen aufgegriffen werden, wie sich Energie lokal einsparen lässt. Große Potenziale sehe ich bei der Straßenbeleuchtung, die Umstellung auf LED lohnt sich ökologisch und ökonomisch. Es gibt darüber hinaus bereits viele weitere positive Beispiele, vom Horner Modell über die Nahwärmenetze bis zur Schnorbacher Energiesparrichtlinie. Mehrere Verbandsgemeinden und die Stadt Boppard haben Klimaschutzmanager eingestellt, die bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen helfen.
Zu guter Letzt: Sie sind seit Ihrer Jugend leidenschaftlicher und starker Marathonläufer und Triathlet. Finden Sie noch Zeit für Ihren geliebten Sport?
Leider ist dies im Moment zeitlich etwas schwierig. Angesichts der vielen Termine und Aufgaben komme ich nicht wirklich zum Sporttreiben. Ich denke aber, dass ich bald wieder einen gewissen Fitnesszustand erreichen kann.