Boppard. Die drohende Schließung des Bopparder Krankenhauses ist zumindest vorerst abgewendet worden: Nach Kreistag und Bopparder Stadtrat hat am Montagabend auch die Stiftung Hospital „Zum Heiligen Geist“ ihre Zustimmung zur Übernahme des erwarteten Defizits bis Jahresende gegeben.
Die Stiftung, die als Gesellschafter am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) beteiligt ist, zu dem auch das Bopparder Krankenhaus gehört, wird 50 Prozent zur Liquiditätssicherung beitragen, Kreis und Stadt jeweils 25 Prozent beisteuern. Die Bopparder Stiftungen (Stiftung Hospital zum Heiligen Geist und Stiftung Seniorenhaus zum Heiligen Geist Boppard) verfügen über einen Kapitalanteil von 9,4 Prozent am Gemeinschaftsklinikum.
Lediglich Zeit gekauft
„Wir haben mit unserem Beschluss zunächst Zeit gekauft“, so der Vorsitzende der Stiftung, Dr. Olaf Döscher, in einer Presseerklärung. Jetzt müsse in Gesprächen des Kreises, der Stadt und der Stiftung mit der GKM-Geschäftsführung und den kommunalen GKM-Gesellschaftern nach Wegen und Lösungen gesucht werden, um das Bopparder Krankenhaus zukunftsfit aufzustellen. In der Presseerklärung der Stiftung wird deutlich, dass man bei der Suche nach tragfähigen Lösungen offen ist: Denkbar seien eine Fortführung im GKM-Verbund, aber auch externe Lösungen wie Kooperationen oder die Übernahme durch andere Träger.
Hohes Defizit
„Da weder die Stadt Boppard noch der Rhein-Hunsrück-Kreis Gesellschafter des Krankenhauses sind, können wir hier aufgrund der bedrohlichen Lage nur für einen begrenzten Zeitraum unterstützen“, erklärte Landrat Boch die bis zum Jahresende befristete Defizitübernahme. Und das Defizit scheint nicht unerheblich zu sein. Bei aller Geheimhaltung der Betriebsergebnisse soll allein das kleine Bopparder Krankenhaus mit seinen 140 Betten nach SWR-Informationen rund 1,8 Millionen Euro Verlust im laufenden Jahr machen. Ein Branchenkenner äußerte sich gegenüber dem RHA noch pessimistischer: Im derzeit taumelnden Gesundheitssystem würden vor allem kleinere Krankenhäuser von einem verheerenden Defizitstrudel erfasst. Heutige Verlustprognosen seien oft rasch überholt. Er hält einen Verlust von mehr als einer Million allein im zweiten Halbjahr in Boppard für nicht aus der Luft gegriffen.
Kreditaufnahme nötig
Boppards Bürgermeister Jörg Haseneier macht klar, dass die Stadt Boppard für ihren Teil der Defizitübernahme am Ende des Jahres einen Kredit aufnehmen muss. „Da wir für diese investive notwendige Leistung keine liquiden Mittel haben, führt kein Weg an einer Kreditaufnahme vorbei“, so Jörg Haseneier. „Ich hoffe aber, dass die Zeit, die durch die Defizitübernahme von Kreis, Stadt und Stiftung gewonnen wird, ausreicht, damit eine Lösung für die Zukunft unseres Krankenhauses gefunden wird“, so der Bürgermeister.
Schwierige Verhandlungen
Angesichts der Tatsache, dass das Krankenhaus Boppard im Sanierungskonzept der beiden kommunalen GKM-Mehrheitseigner Stadt Koblenz und Kreis Mayen-Koblenz keine Rolle spielt und es kein Geld für den Weiterbetrieb des 140-Bettenhauses geben soll, werden die Gespräche und Verhandlungen sicherlich alles andere als einfach werden. Die Zukunft des Krankenhauses ist mit der bis zum Jahresende befristeten Defizitübernahme jedenfalls weiterhin nicht gesichert. „Strukturelle Veränderungen sind unverzichtbar. Kein kleines Krankenhaus kann sich als eine Art Vollsortimenter mit allen Abteilungen im aktuellen System rechnen, Spezialisierungen sind unverzichtbar“, so der Branchenkenner im Gespräch mit dem RHA. „Auffallend ist, dass sich engagierte Protagonisten überall vor Ort für den Erhalt ihrer Krankenhäuser einsetzen, die zuständige Landesregierung aber die Füße stillhält.“
Er erwarte von der Landesregierung auf Basis des Landesbettenplans eine eindeutige Landkarte mit Klinikstandorten. „Wir brauchen Klarheit, wohin die Reise geht. Wo gibt es in Zukunft Standorte für Akutversorgung, wo gibt es Standorte mit Fach- und Spezialkliniken. Und letztlich benötigen wir den Ausbau der Notarztversorgung, damit Patienten schnell und optimal erstbehandelt in Krankenhäuser der Region gebracht werden können“, so der Experte. Derzeit sei es tatsächlich so, dass es trotz einiger Krankenhausschließungen immer noch zu viele Häuser im Land gebe, aber gleichzeitig zu wenige Betten. „Moderne, personell und technisch top ausgestattete Kliniken sind unverzichtbar. Kleine Häuser werden ebenso wie früher Tante-Emma-Läden und kleine Ladengeschäfte der Reihe nach schließen“, glaubt der Branchenkenner, dass wir uns an gravierende Veränderungen in der Kliniklandschaft gewöhnen müssen.