Rio Grande do Sul/Hunsrück. Vor ziemlich genau 200 Jahren, am 25. Juli 1824, begann die große Welle der deutschen Einwanderung in Südbrasilien. Unter den Siedlern waren auch viele Menschen aus dem Hunsrück, die in der späteren Stadt São Leopoldo und ihrem Umland eine neue Heimat fanden. Zu diesem besonderen Jubiläum machte sich nun eine Reisegruppe aus Rheinböllen auf die Socken in den südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul. Unter die Hunsrücker Touristen mischten sich auch hochrangige politische Vertreter, wie die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt, der Chef der hessischen Staatskanzlei Benedikt Kuhn und der Bundestagsabgeordnete Josef Oster, der als Mitglied der deutsch-brasilianischen Parlamentariergruppe mit einer extra großen To-do-Liste anreiste. Der CDU-Politiker zeigte sich rundum begeistert. „Ich habe selten so viel Wertschätzung und Gastfreundlichkeit erlebt wie in diesen zwei Wochen und bin unendlich dankbar für die Erfahrungen und Eindrücke“, schwärmte er nach der ereignisreichen Tour.
Und so fanden sich die Reisenden in geschmückten Straßen, an üppig gedeckten Tischen und in der herzlichen Umarmung jener Menschen, deren Vorfahren sich vor zwei Jahrhunderten auf die große Reise ins Unbekannte gewagt hatten. Überall war die Freude über den Besuch aus Deutschland deutlich spürbar. Dabei haben die Menschen rund um die Hafenstadt Porto Alegre noch stark mit den Folgen der verheerenden Flutkatastrophe im Mai zu kämpfen, bei der zahlreiche Menschen ums Leben kamen. Die Wassermassen haben Straßen, Häuser und Existenzen zerstört. Auch ein Stück der deutschen Immigrationsgeschichte versank in der Flut: Im Geschichtsmuseum in São Leopoldo wurden jahrhundertalte Exponate ruiniert oder beschädigt. „Hier haben sich die Menschen besonders ins Zeug gelegt, um das Museum pünktlich zum Besuch aus dem Hunsrück wieder zu öffnen“, berichtet Josef Oster. Auch rund um das Denkmal der deutschen Einwanderung, das 1924 zum 100. Jahrestag errichtet wurde, erkennt man noch die Wucht des Wassers.
Um die Folgen der Katastrophe ging es auch in Gesprächen, die Josef Oster unter anderem mit Beauftragen der brasilianischen Wirtschaftskammer führte. Nicht nur in der 200 000-Einwohnerstadt São Leopoldo gibt es eine ganze Menge wiederaufzubauen und zu investieren, sondern in der ganzen Region rund um Porto Alegre. „Da könnte die deutsche Wirtschaft durchaus einen Beitrag leisten“, so Oster, der versprach, sich seinerseits über mögliche Unterstützung schlauzumachen.
Vier Millionen „schwätze Hunsrückisch“
Ein Phänomen in Südbrasilien ist, dass viele Einwohner Hunsrückisch sprechen. Mit dem sympathischen Dialekt unserer Heimat öffnet man dort Herz und Tür. Selbst im Landesparlament des brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul sprechen Politiker mitunter Hunsrückisch. So empfing der Landtagsabgeordnete Elton Weber die Gruppe im Regierungsgebäude des Bundesstaates in ihrer Muttersprache. Elton Weber ist im Landesparlament der Beauftragte für die Belange der deutschstämmigen Einwohner. Auch Ministerpräsident Eduardo Leite nahm sich viel Zeit für die deutschen Besucher. Einladungen, Empfänge, Folklore-Abende, Gottesdienste und Festumzüge, Termine für Radio und Fernsehen sorgten für einen dichten Terminkalender.
„Vielen Dank an alle Beteiligten in Brasilien und Deutschland, vor allem auch dem ehemaligen Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rheinböllen, Franz-Josef Lauer, der als Mitglied der Brasilienfreunde Hunsrück Rheinböllen diese Reise so hervorragend organisiert hat“, so Josef Oster.